Nein, sie ist keine Kriminologin und hier treibt auch nicht Agatha Christie ihr Unwesen sondern unsere Geschichte erzählt aus dem facettenreichen Leben einer Frau, die mit beiden Füssen im Leben steht, ihren Alltag “Op der Rhum” zusammen mit ihrem Ehemann vollends genießt und eigentlich nur von ihren drei Töchtern als Miss Marple bezeichnet wird. Und warum das so ist, erzählt uns die 96-jährige Marie-Louise Muller-Verplanken im Laufe eines Gesprächs, das ungeahnte Einblicke in ein agiles Seniorenleben gibt.
“An dëser schéiner Ëmgéigend, an dësem flotten Appartement a mat der Attentioun vun all Sparte vum Personal – an dat an eisem Alter : do kënne mir nëmmen d’Liewen genéissen“, so resümiert Marie-Louise Muller-Verplanken ihr Aufenthalt im SERVIOR-Haus “Op der Rhum”. Der Alltag im Seniorenheim könne aber nur gelingen, wenn man bereit sei die Vergangenheit nicht nostalgisch zu betrachten, gesteht die ehemalige Pädagogin, die seit Dezember 2017 mit ihrem Mann Ernest auf dem geschichtsträchtigen Rhummer Plateau lebt. Bereits nach einer Woche hätte sich das Ehepaar eingelebt. “Mir si glécklech fir dat, wat d’Rhum am Moment ass”, so Marie-Louise Muller-Verplanken, die auch die vielen kleinen Zuwendungen des Service-Personals sowie die tägliche Stoffserviette sehr zu schätzen weiß. Wenn es einmal Mängel gäbe, sollte man Zivilcourage beweisen und die Leitung des Hauses darüber in Kenntnis setzen, ermutigt die Seniorin auch ihre Mitbewohner.
Die aus den belgischen Ardennen stammende Philologin ist sehr zufrieden im SERVIOR-Cipa und empfindet den sozialen Mix der Bewohner als eine große Bereicherung: die leidenschaftliche Sammlerin von Gläsern, Porzellan und Kleidern interessiert sich nämlich für die Biografien anderer Personen, knüpft mit unterschiedlichen Bewohnern Kontakte und nimmt an den sozial-kulturellen Aktivitäten rege teil. “Mir bewonneren dat, wat hei leeft a maachen souvill wéi méiglech Saache mat“, so die bibliophile Seniorin, die neben ihrem Mann auch Mitglied im Chor der “Rhummer Gospel” ist. “Sange mécht glécklech”, verrät uns Marie-Louise Muller-Verplanken, die gerne singt, aber ihrer Meinung nach falsch singe. Ihr Mann hingegen habe viele Jahre in unterschiedlichen Chören gesungen und wäre auch tonsicher, sie würde eher mit Volumen singen!
Somit ergänzen sich Marie-Louise Muller-Verplanken und ihr Ehemann wunderbar: Der gelernte Agronom hat während einer Reihe von Jahren im Ösling Bienen gezüchtet während die Ehefrau den Honig in Gläser eingefüllt habe. Fleißig wie Bienen sind die beiden bis heute. In seinem Elektro-Steinbackofen, den er mit ins SERVIOR-Haus “Op der Rhum” brachte, backt Herr Muller sein eigenes Brot während Frau Muller sich auf gedrehte Waffeln spezialisiert hat – und ohne weiteres bis zu 180 Exemplare dieser bei Familienfesten stets begehrten “Wäffelcher” anfertigt! Und eine neue Leidenschaft hat Herr Muller “Op der Rhum” entdeckt: das Malen. In dem Appartement der Familie Muller entstehen Aquarelle, die von Marie-Louise Muller-Verplanken sehr geschätzt werden. Das rezenteste Werk von Ernest Muller zeigt eine Afrikanerin – und das aus gutem Grund.
Afrika ist nämlich ein Teil der gemeinsamen Lebensgeschichte des Ehepaares. Im belgischen Kongo haben sich die Beiden Anfang der 1950er Jahre kennengelernt. Die studierte Philologin – in Lüttich absolvierte Marie-Louise Verplanken ein Studium der Germanistik – arbeitete am Collège Albert Ier während ihr Mann als Agronom u.a. in der kongolesischen Milchwirtschaft tätig war. Nach dem Ende der belgischen Kolonialherrschaft kam das Ehepaar zurück nach Europa, wo die dreifache Mutter zunächst in Namur und Arlon am “Athénée royal” – als einzige Frau unter Männern, wie sie präzisiert – arbeitete.
Nur wenige Jahre nachdem die ersten Abiturienten die 1953 gegründete Europaschule in Luxemburg verlassen hatten, wurde Marie-Louise Muller-Verplanken in der “Schola Europea” auf Limpertsberg Deutschlehrerin. 30 Jahre lang unterrichtete sie Kinder aus unterschiedlichen europäischen Ländern. “Eine Zeit, in der ich selber sehr viel lernen durfte”, gesteht die 96-jährige Seniorin. Die Hälfte ihrer 300 Facebook-Freunde sind ehemalige Schüler – ein Beweis für die Wertschätzung, welche die früheren Schützlinge ihrer als streng geltenden Lehrerin bis zum heutigen Tag entgegen bringen. Vor kurzem habe – via Facebook – ein ehemaliger Schüler Marie-Louise Muller-Verplanken gefragt, ob sie ihm noch böse sei wegen einer im Unterricht angefertigten Karikatur, weiß Marie-Louise Muller-Verplanken schmunzelnd zu berichten.
Den Schülern von heute möchte die erfahrene Pädagogin und Sprachenforscherin zurufen, sich in Fleiß und Respekt zu üben, die persönliche Meinung zu verteidigen, auf die “Rattenfänger” aufzupassen und den Mut aufzubringen, Misserfolge zu überwinden.
Und was verbindet Marie-Louise Muller-Verplanken mit Miss Marple? Ihr Wesen erinnert tatsächlich ein wenig an jene kultivierte ältere Dame, die von Agatha Christie in ihren Romanen skizziert wird. Hinzu kommt ihr Spürinstinkt und ihre Neugier auf neue Begegnungen. Fehlt nur noch der famose Dienstagabend-Klub…